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Kässbohrer    Setra S 12

Baujahr: 1967


Hersteller:
Kässbohrer
Typ:
Setra S 12
Aufbau: ..wie Hersteller Motor: Henschel 6R1215
Leistung/Hubr.: 172 PS / 11000 ccm Gewicht: kg
Länge:11200 mmBreite:2500 mm
Höhe:3200 mmPlätze:42

Vita:
Franz Reimche, erfolgreicher Rechtsanwalt aus dem hessischen Friedberg war 25 Jahre für den Pfarrgemeinderat in seinem Heimatort tätig. Nach diesem Vierteljahrhundert entschied er, die Verantwortung in jüngere Hände abzugeben. Was er dabei nicht bedacht hatte, war die nach Beendigung der Tätigkeit auf ihn zukommende viele Freizeit. Erst da erkannte er, dass das Ehrenamt ihn täglich mehrere Stunden in Anspruch genommen hatte. Was sollte er nun anfangen mit der neu gewonnen Zeit? Immer schon bekannt für verrückte Aktionen kaufte er sich einen MAN F 2000, ließ ihn nach seinen Vorstellungen ausbauen und transportierte seinen Sportwagen mit einem passenden Auflieger durch Deutschland. Doch bald schon war das gewählte Truckerleben nicht mehr interessant. Neue Gedanken kamen dem Mann, der über eine enorme Phantasie verfügt. Einen eigenen Bus zu besitzen und mit seiner Frau und evtl. ein paar Freunden durch die Lande zu fahren, war die nächste Idee.

Im Internet fand er bei seiner Suche dann die Anzeige eines Mannes, der seinen Kässbohrer Setra S 12 verkaufen wollte. Der Preis von unter DM 10.000,-- klang interessant. Den Busführerschein hatte er bei seiner Fahrschule bereits gemacht. Der Fahrlehrer wurde hinzugezogen und gemeinsam besichtigten sie den S 12. Der sah zwar ziemlich verschlissen aus, Reimche entschloss sich aber, das Fahrzeug zu übernehmen und zu restaurieren. Der Fahrlehrer rechnete ihm auf Nachfrage vor, dass etwa DM 30.000 für die Aufarbeitung zu investieren seien. Das diese Kalkulation ein großer Irrtum war, sollte sich bald heraus stellen.

Im Jahr 2000 wurde der Bus auf eigener Achse nach Ockstadt bei Friedberg überführt. Der S 12 wurde 1967 gebaut und ausgeliefert an den Busunternehmer Heinrich Staill in Pfakofen. Der setze den Bus im kombinierten Linien- und Reiseverkehr ein. Obwohl blattgefedert und mit nur 4 gesplitteten Gängen ausgerüstet, war der Bus sehr komfortabel. Nach der Ausmusterung dort kaufte ihn ein Sammler, der ihn restaurieren wollte. Nach dem Entfernen der ersten Seitenbleche gab er jedoch auf und bot den Bus erneut zum Kauf an. Nach dem Eintreffen in Ockstadt ging Reimche mit der ihn auszeichnenden Zielstrebigkeit ans Werk. Da er den Bus nicht eigenhändig restaurieren wollte und konnte, suchte er geeignete Fachkräfte. Die fand er auch. Auf seine Anzeige "Suche Fachleute, die aus einer Cola-Dose einen Kotflügel formen können" meldeten sich etliche Interessenten, die behilflich sein wollten. Die Aufarbeitung wurde generalstabsmäßig vorbereitet und geplant. Es wurde eigens eine Firma gegründet, bei der bis zu vier Mitarbeiter beschäftigt waren. Dieses Unternehmen nennt sich "Nostalgie Reisen Ockstadt GmbH". Große Unterstützung erfuhr Reimche durch die Firma Kässbohrer, die mit Rat und Tat zur Seite stand. Zeitweilig war sogar ein Mitarbeiter aus dem Hause Evo-Bus Kässbohrer, Herr Klaus Bleher an Reimche gegen Bezahlung ausgeliehen und dort beschäftigt.

Zwei Jahre lang arbeiteten die Mitarbeiter, die mit Zeitverträgen ausgestattet waren, an dem Oldtimerbus. Er wurde total zerlegt und anschließend komplett wieder aufgebaut. Beim Entfernen der Beplankung zeigte sich der tatsächlich sehr schlechte Zustand des selbsttragenden Gerippes. Der Rost hatte hier schon ganze Arbeit geleistet. Stück für Stück wurde aus der Konstruktion heraus getrennt, neu angefertigt und wieder eingesetzt. Besonders heikel war die Anfertigung neuer Blechteile im Front- und Heckbereich des Busses. Viele Teile wurden hierbei zwar nicht aus einer Cola-Dose sondern aus einem Stück Blech nach Vorlage neu angefertigt. Meisterstücke waren auch die seitlichen Klappen der Stauräume, die mehr oder weniger komplett neu angefertigt wurden.

Der Motor wurde ausgebaut. Auf Anraten von Robert Preclik, dem anerkannten Fachmann aus dem Hause Kässbohrer, wurde ein zweiter Motor beschafft, der zwischenzeitlich in das Gerippe gebaut wurde. Nach Auskunft von Preclik verzieht sich das Gerippe, sobald der Motor länger als ein paar Tage ausgebaut ist. Obwohl der Original Henschel-12 Liter-Motor mit 168 PS einwandfrei arbeitete, wurde er zu MAN gebracht und dort komplett überholt. Reimche wollte alle technischen Komponenten überarbeitet haben und keine alten Aggregate wieder einbauen lassen.

Von der Demontage über die Schweißarbeiten bis zur Neubeblechung wurden alle Arbeiten in einer Halle in Ockstadt durchgeführt. Die Überholung der Aggregate führte größtenteils die Firma MAN durch. Nach dem Zusammenbau des Puzzles wurde der Bus ebenfalls bei der Firma MAN lackiert. Dies geschah in den Originalfarben. Dazu wurde eigens eine Computeranalyse des Lacks bei ICI durchgeführt. Dort stellten die Experten fest, dass der Lack geliefert wurde im Jahr 1967 an Kässbohrer und dass die Farbe "Kässbohrergrau" ist. Die Farbaufteilung der alten Lackierung war zuvor mit Hilfe eines Computerprogramms abgenommen und gespeichert worden. So konnte der Bus nach der Aufarbeitung wieder in den alten Farben bzw. in der alten Farbgebung lackiert werden.

Zwischenzeitlich wurde auch der Innenraum komplett überarbeitet. Reimche legte hier großen Wert darauf, dass möglichst viele Teile original wieder verbaut wurden. So sind die Sitze im Originalzustand belassen worden. Die Kunstledersitzpolster wurden lediglich gereinigt, die Gestelle entlackt, entrostet und neu lackiert. Die ursprüngliche Ausstattung des Busses mit 12 Sitzreihen, die ihm den Namen S 12 gaben, wurde jedoch abgeändert. Da es doch ein wenig eng zu ging, wurde eine Sitzreihe bei der Neumontage weg gelassen, so dass nun doch etwas mehr Beinfreiheit vorhanden ist. Fehlende Teile konnten z. T. auf sehr unkonventionellen Wegen beschafft werden. Ein wenig Glück muss der Restaurierer dann auch schon einmal haben. Franz Reimche saß bei einem Klienten in Frankfurt in dessen Büro. Die Restaurierung des S 12 war auch hier ein Gesprächsthema, auf das er immer wieder gerne zu sprechen kam. Sein Gegenüber eröffnete ihm dann, dass er vor ca. 30 Jahren seinen Strandkorb neu mit Stoff bespannen wollte. Den Stoff kaufte er aus welchen Gründen auch immer bei Kässbohrer. Zum Überarbeiten des Strandkorbes kam es dann aber nicht. Die Sache geriet in Vergessenheit. Der Klient zeigte dem erstaunten Reimche einen Karton, der in seinem Büro stand und in dem sich der Originalstoff befand, der dann zum Nähen der Gardinen für die Dachrandverglasung herhalten musste. Originaler und origineller geht es nicht mehr. Fenstergummis fanden sich noch in einem Auslieferungslager von Kässbohrer. Auch die konnte er erstehen und die maroden Gummis des Busses ersetzen.

Franz Reimche selbst hat bei den Aufarbeitung seines Busses nur gelegentlich selbst Hand angelegt. Er hat sich mehr um die Organisation des Projektes, die Beschaffung der Teile, die Kontrolle der Arbeiten, die Koordinierung der einzelnen Teilarbeiten, die Dokumentation und natürlich um die Finanzierung gekümmert. Er steht auf dem Standpunkt, dass er durch seine Arbeit als Rechtsanwalt mehr Geld verdienen und dadurch die Realisierung des Projektes ermöglichen kann, als er an sinnvoller Arbeit bei der unmittelbaren Restaurierung erbringen kann. Die Fahrt zum TÜV zur Vollabnahme hat er sich dann aber doch nicht nehmen lassen. Die TÜV-Prüfer stellten sofort fest, dass es sich um ein komplett neu aufgebautes Fahrzeug handelte und waren begeistert. Die eigentliche Abnahme dauerte exakt 15 Minuten, die Begutachtung des Busses und das Schwärmen von den guten alten Zeiten, in denen solche Fahrzeuge noch regelmäßig auf den Straßen zu sehen waren, entsprechend länger. Der S 12 wurde als KOM zugelassen. Reimche hat eine Lizenz für den Betrieb des Busses als Reiseunternehmer erhalten. Der Bus wurde wieder auf den alten Namen "Rebecca" getauft. Bei Heinrich Staill hatte jeder Bus seinen Namen. Seit 2002 fährt der Jung-Busunternehmer Reimche gelegentlich mit seiner "Rebecca" just for fun in Begleitung seiner Frau und seines Schäferhundes Xaver von der Holzheimer Linde. Seit der Restaurierung ist er allerdings erst 4.000 km gefahren. Die weiteste Fahrt führte ihn dabei nach Ulm an die Geburtsstätte des Busses.

Der Bus ist inzwischen nicht mehr so interessant für Franz Reimche. Die Herausforderung, die das Projekt für ihn darstellte, hat er bewältigt. Die Restaurierung des Busses ist abgeschlossen. Der unstete Geist des Anwaltes suchte nach einer neuen Aufgabe, nach einem neuen außergewöhnlichen Projekt. Das hat er nun gefunden. Er hat sich eine Kutsche mit zwei Vollblutschimmeln zugelegt und fährt dieses Gespann gemeinsam mit seiner Frau.



www.konrad-auwaerter.de

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